Digitale Geopolitik

Mit offenem Visier gegen die Konkurrenten USA und China: Die EU und der Aufbau eines 5G-Netzes in Europa

Von Özlem Demirel und Jürgen Wagner

Aus Sicht von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen handelt es sich bei der »Wiederkehr der Konkurrenz großer Mächte« um das »herausstechende Merkmal« der heutigen Zeit.¹ In diesem Zusammenhang entwickelt sich die Hochtechnologie zu einem der zentralen Schlachtfelder, auf dem die damit einhergehenden Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Besonders die »Causa Huawei« erregt bereits länger die Gemüter, bei der es um die mögliche Beteiligung des chinesischen Konzerns am Aufbau des europäischen 5G-Netzes geht.

Die Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G mit seiner deutlich größeren Bandbreite und Geschwindigkeit ist auch von immenser militärischer Bedeutung, wie beispielsweise auf einer Sitzung des Unterausschusses »Sicherheit und Verteidigung« (SEDE) des Europäischen Parlaments am 22. Januar 2020 betont wurde. In Kombination mit den erwarteten wirtschaftlichen Effekten von 5G, hieß es in den damals verteilten Sitzungsunterlagen, habe dies »strategische Rivalitäten« zur Folge, die auch die EU vor Herausforderungen stellten.²

Der Termin für die SEDE-Sitzung war wohl nicht zufällig gewählt worden, fand sie doch nur wenige Tage vor einer mit Spannung erwarteten Grundsatzentscheidung der Kommission statt, wie sich die EU-Länder in der 5G-Frage positionieren sollten. Im wesentlichen legte die Kommission ihren Mitgliedstaaten darin nahe, aus kurzfristigen wirtschaftlichen Erwägungen den von Washington beinahe ultimativ geforderten Komplettausschluss Huaweis abzulehnen. Perspektivisch wird aber vor allem auf den Aufbau eines 5G-Konsortiums abgezielt, um die EU für die neue Ära der »Tech-Geopolitik« in Stellung zu bringen.

Damit positioniert sich die EU in genau der Weise als Machtakteur, wie es vor nicht allzu langer Zeit in einem Papier der »Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik« gefordert wurde: »Das geostrategische Denken entdeckt zunehmend Schlüsseltechnologien als zentrales Instrument für globalen Einfluss. […] Zugleich haben sie erhebliche (sicherheits-)politische und gesellschaftliche Konsequenzen. Staaten investierten bereits großflächig in KI zu militärischen Zwecken, was sich in der Entwicklung von autonomen Waffensystemen oder Drohnenschwärmen widerspiegelt. Auch 5G beschleunigt militärische Kommunikationswege. […] Eine weitere Herausforderung für die Bundesregierung ist, dass all die genannten Aufgaben auch europäisch gedacht und umgesetzt werden müssen. Denn nur die Europäische Union als Ganzes kann gegen die digitalen Großmächte USA und China im zunehmenden Trend der Tech-Geopolitik bestehen.«³

Zwischen Wirtschaft und Machtpolitik

Was die Huawei-Frage anbelangt, zeigen sich die hiesigen Funktionseliten in Politik und Wirtschaft gespalten, wobei es zwei Fronten gibt: Auf der einen Seite sind da die Befürworter einer Beteiligung des chinesischen Konzerns, zu denen vor allem Kanzlerin Angela Merkel und Kanzleramtsminister Helge Braun sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier, alle CDU, zählen. Auch die Industrie sprach sich – zumindest zu Beginn – für eine Zusammenarbeit aus. Insbesondere den Mobilfunkunternehmen Telekom, Vodafone, Telefónica und Drillisch, die im Juni 2019 satte 6,5 Milliarden Euro für die 5G-Frequenzen hingeblättert hatten, ist daran gelegen, dass sich diese Investitionen möglichst schnell bezahlt machen. Dies geht allerdings nur mit und nicht gegen Huawei, da der Konzern über die am weitesten fortgeschrittene und günstigste Technik zum schnellen Netzausbau verfügt. Im Kern geht es dieser Fraktion darum, kurzfristige wirtschaftliche Interessen mit längerfristigen sicherheits-, vor allem aber auch machtpolitischen Ambitionen auszutarieren. In einem Positionspapier von CDU/CSU wurde dies Mitte Februar 2020 folgendermaßen formuliert: »Der mit Blick auf unsere wirtschaftspolitischen Ziele dringend erforderliche rasche Aufbau der 5G-Netze und ihre flächendeckende Verfügbarkeit sind mit den nationalen Sicherheitsinteressen in Einklang zu bringen.«⁴

Diese Überlegungen brachten aber die verschiedenen Huawei-Gegner nicht zum Schweigen, die unter Verweis auf die USA vor allem Sicherheitsbedenken gegen den Konzern ins Feld führen. Auf dieser Seite des 5G-Schützengrabens fanden sich das Außenministerium und generell große Teile der SPD, der BND und eine Gruppe – die Rede ist von 50 bis 60 Personen – transatlantisch ausgerichteter CDU-Abgeordneter unter Führung von Norbert Röttgen. Von den USA waren in diesem Zusammenhang markige Worte und handfeste Drohungen zu vernehmen, um den Ausschluss des Huawei-Konzerns vom Aufbau des europäischen 5G-Netzes zu erreichen. So gab der damalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, Anfang 2020 an, Washington schätze die von Huawei ausgehende Gefahr als so hoch ein, »dass wir gezwungen sein werden zu prüfen, wieviel Informationen wir mit unseren Verbündeten noch teilen können, wenn sie dieses Risiko ignorieren«. (Handelsblatt, 29.1.2020)

Bereits am 11. November 2019 hatte eine Expertenanhörung des Auswärtigen Ausschusses zur Causa Huawei stattgefunden, bei der u. a. Martin Schallbruch (European School of Management and Technology Berlin) die Vorteile einer breiten Anbieterbasis einschließlich des chinesischen Konzerns betonte. Ebenfalls dort und in dieselbe Richtung äußerte sich auch Harald Görl von der Universität der Bundeswehr in München in einer der extrem seltenen Stellungnahmen aus dem Militär zum Thema. Auch er sah von Huawei keine Gefahr ausgehen – sogar eher das Gegenteil: »Wenn der Ausschluss der chinesischen Netzausrüster dazu führt, dass im deutschen 5G-Netz nur zwei oder ein Ausrüster übrig bleiben, sei dies ›die schlimmste Gefahr, die technisch entstehen kann. Das können wir nicht sichern, das fliegt uns um die Ohren‹.« (golem.de, 11.11.2019) Nachdem die Bundesnetzagentur wie auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu Protokoll gegeben hatten, sie sähen keine Anzeichen für eine Bedrohung durch Huawei, wird reichlich darüber spekuliert, welche Gründe die USA tatsächlich bei ihrer Kampagne gegen den Konzern umtreiben.

Relativ häufig werden dabei ökonomische Motive genannt, also dass den in 5G-Fragen hinterherhechelnden US-Konzernen Zeit zum Aufholen verschafft werden soll. Es dürfte Washington aber darüber hinaus auch ganz grundsätzlich darum gehen, »digitale Einflusssphären« abzustecken, wie die regierungsberatende »Stiftung Wissenschaft und Politik« vermutet: Vieles deute »darauf hin, dass die ›Five Eyes‹ und insbesondere die USA unter Trump dieser Auseinandersetzung auch eine grundsätzlichere geopolitische Bedeutung beimessen. Washington geht es nicht nur um den Schutz der eigenen Netze, sondern auch darum, chinesischen Unternehmen den Zugang zu den Netzen anderer Staaten zu verwehren. Auf der Ebene der technischen Infrastruktur soll so das Eindringen Chinas in jenen Bereich verhindert werden, der von den ›Five Eyes‹ als eigene digitale Einflusssphäre beansprucht wird. […] Im Fall der 5G-Technologie ist China mit Huawei und ZTE derzeit besonders gut aufgestellt, während gerade US-amerikanische Unternehmen hier noch Aufholbedarf haben. Ein Ausschluss von Huawei von westlichen Märkten hätte vor diesem Hintergrund nicht nur den unmittelbaren ökonomischen Effekt, die aktuellen Konkurrenten Nokia und Ericsson zu stärken, sondern würde mindestens mittelfristig auch US-Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. […] Mindestens mittelfristig würde der Ausschluss von Huawei aber auch Unternehmen wie Samsung und Cisco eine Chance bieten, sich auf dem deutschen 5G-Markt zu etablieren.«⁵

Endgültig fiel der Widerstand gegen Huawei erst einmal in sich zusammen, als Ende Januar 2020 selbst der wichtigste Verbündete Großbritannien den USA kurz vor der EU-Positionierung die kalte Schulter zeigte: »Nicht einmal die engsten Geheimdienstpartner der USA scheinen von der angeblichen ›Smoking Gun‹ überzeugt zu sein – ansonsten hätte die britische Regierung, mit der US-Geheimdienste im Rahmen der sogenannten Five-Eyes-Partnerschaft auch geheimste Informationen teilen, sich wohl kaum gegen einen Huawei-Bann entschieden.« (Spiegel online, 30.1.2020)

Showdown in der Huawei-Frage

Bereits unmittelbar nach Einführung von 4G im Jahr 2010 widmete sich die EU der Förderung eines Nachfolgers. 2013 wurde eine »Public Private Partnership on 5G« ins Leben gerufen, und ab 2014 wurden im Forschungshaushalt der EU (»Horizon 2020«) 700 Millionen Euro jährlich zur Förderung der nächsten Netzgeneration ausgelobt. Mit der Kommissionsmitteilung »5G für Europa: ein Aktionsplan« vom September 2016 wurde die Bedeutung des Themas noch einmal unterstrichen. Im März 2019 beauftragte der Rat dann die Kommission damit, eine Positionsbestimmung in der Huawei-Frage auszuarbeiten, die schlussendlich am 29. Januar 2020 in Form der Mitteilung »Sichere 5G-Einführung in der EU-Umsetzung des EU-Instrumentariums« vorgelegt wurde.⁶

Darin wird einerseits hervorgehoben, wirtschaftlich und industriepolitisch sei die »Einführung von 5G-Infrastrukturen in Europa« von »zentraler Bedeutung«. Gleichzeitig wurde einem Komplettausschluss von Huawei eine Absage erteilt: Zwar müsse man »die Risikoprofile der Anbieter bewerten« und Unternehmen, die »als mit einem hohen Risiko behaftet gelten«, mit einschlägigen »Beschränkungen« belegen. Dies beinhalte im Extremfall aber lediglich Bereiche, die als »kritisch und anfällig eingestuft wurden«, wobei »Kernnetzfunktionen, Netzverwaltungs- und -koordinierungsfunktionen sowie Zugangsnetzfunktionen« explizit aufgeführt wurden.

Trotz des heftigen Gegenwinds aus den USA entschied sich die Kommission damit gegen eine kategorische Ausgrenzung des chinesischen Unternehmens – ein Ergebnis, das wohl nicht zufällig auch exakt den Präferenzen der deutschen Kanzlerin entsprach: »Die EU-Kommission folgt mit dieser Positionierung der Auffassung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Kanzleramtschef Helge Braun.« (t3n.de, 30.1.2020)

Damit dürfte es den bereits jetzt hinterherhinkenden US-Unternehmen dauerhaft kaum gelingen, auf dem europäischen 5G-Markt Fuß zu fassen, weshalb die Reaktionen in Washington dementsprechend frostig ausfielen. Anderseits wird aber auch empfohlen, Huawei von den besonders neuralgischen Kernbereichen fernzuhalten, die allein Sache der EU-Platzhirsche in Sachen 5G-Technologie, Nokia und Ericsson, sein sollen. Laut ihrer Huawei-Mitteilung von Ende Januar besteht das Hauptanliegen der Kommission ohnehin darin, »dass die EU ihre technologische Souveränität wahren und ihre industriellen Kapazitäten erhalten und ausbauen kann«.

Dabei handelt es sich um eine blumige Umschreibung für den Anspruch, auf dem Schachbrett der »Tech-Geopolitik« künftig als eigenständiger machtpolitischer Akteur mitspielen zu können, wie auch manchen Kommentatoren nicht entging: »Huawei darf zwar Funkstationen für 5G liefern. Doch für den Aufbau des Kernnetzes werden nur andere Lieferanten zugelassen. Auch Vodafone und Telefónica in Deutschland planen in eine solche Richtung. Das wäre ein Kompromiss, um nicht zu abhängig von Huawei zu werden und trotzdem von schnellen, zuverlässigen Lieferungen zu profitieren. […] Digitale Autonomie lautet das Stichwort. Europa darf in der digitalen Welt nicht nur das Anhängsel Chinas und der USA sein. Dafür brauchen wir ein Investitionsprogramm in Höhe vieler Milliarden Euro.« (Rheinische Post, 29.1.2020)

In diesem Zusammenhang ist auch eine Art 5G-Werkzeugkasten mit Empfehlungen für die Länder zu sehen, der von Industriekommissar Thierry Breton zeitgleich mit der Huawei-Kommissionsmitteilung Ende Januar präsentiert wurde. Darin wird angeraten, dass Huawei nie allein, sondern immer im Verbund mit einem der großen »einheimischen« 5G-Unternehmen beauftragt werden soll: »Dieser Kasten empfiehlt außerdem, für alle Komponenten mehrere Zulieferer zu suchen – verschiedene Firmen aus verschiedenen Herkunftsländern, wie Breton ausführt. Soll heißen: Stammt ein Anbieter aus China, sollte der zweite wohl besser aus einem Staat wie Schweden oder Finnland kommen und Ericsson oder Nokia heißen.« (Süddeutsche Zeitung, 29.1.2020)

EU-Konsortium

Augenscheinlich sind einflussreiche Akteure in der EU gewillt, am ganz großen 5G-Rad zu drehen: Als die USA einen weiteren, diesmal in Person der demokratischen Senatorin Elizabeth Warren explizit auch parteiübergreifenden Versuch unternahmen, die EU-Länder bei der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar 2020 auf Linie zu bringen, stellten die EU-Länder ganz andere Überlegungen an: »Selbst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beschäftigte sich bei einem Frühstück mit Abgeordneten und Vertretern von Thinktanks mit der Huawei-Frage. Am Ende stand zumindest eine Idee: der Aufbau eines europäischen Konsortiums, das Huawei die Stirn bieten kann.« (Spiegel online, 15.2.2020)

Solche Pläne dürften in der SPD auf große Zustimmung treffen, die bereits im Dezember 2019 eine Positionsbestimmung verabschiedet hatte. Mit dem darin geforderten generellen Ausschluss von Fremdanbietern konnte sie sich zwar nicht durchsetzen, begrüßte aber grundsätzlich die Pläne für ein EU-5G-Konsortium: »Zur langfristigen Sicherheit gehört auch die Fähigkeit Europas, 5G Netze selbst bauen und betreiben zu können und die Entwicklung künftiger Technologien in diesem Bereich selbst in der Hand zu haben. Es geht um die Rückgewinnung der digitalen Souveränität. […] Anders als in vielen Bereichen haben wir bei 5G noch zwei führende Unternehmen in Europa. Sie besitzen einen standortbedingten Vertrauensvorteil und sollten nicht durch Dumpingpreise vom Markt verdrängt werden können. Hierzu sind erhebliche Investitionen auf europäischer Ebene zwingend notwendig. […] Wenn Sicherheit nicht garantiert und die Gefährdungen nicht ausgeschlossen werden können, wird die Frage des Vertrauens in die Integrität des Herstellers und in das Rechtssystem des Herstellerlandes zentral.«⁷

Auf CDU-Seite ist es nicht zuletzt Axel Voss, der Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Rechtsausschuss, der versucht, sich hier zu profilieren. Er hatte bereits am 20. Januar 2020 ein »Manifest für die digitale Souveränität und geopolitische Wettbewerbsfähigkeit Europas« veröffentlicht, das es, gehalten in martialischem Ton, in sich hat. Für Voss ist ein neues »Zeitalter der digitalen Geopolitik« angebrochen, weshalb dringender Handlungsbedarf bestehe: »Ohne eigene Vision und langfristige Strategien war Europa bisher ein Zuschauer im Kampf um die digitale Vorherrschaft zwischen China (autoritäre und staatlich kontrollierte Wirtschaft) und den USA (disruptive Innovation durch dominierende Technologiekonzerne).« Die EU müsse sich hier behaupten und zwar über die Erarbeitung eines »umfassenden Plans zur Stärkung der strategischen digitalen Autonomie Europas« sowie »für strategische Investitionen in Wendepunkt-Technologien wie 5G«. Dies schließe zwar nicht aus, dort, wo es unter finanziellen Gesichtspunkten besonders geboten sei, mit Huawei zusammenzuarbeiten – Priorität habe aber der Aufbau eigener 5G-Fähigkeiten: »Im Hinblick auf die aktuelle Debatte über die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit von 5G-Netzen ist ein europäisches System für 5G-Netzkomponenten von größter Bedeutung und Dringlichkeit.«⁸

Als bislang letzten großen Streich veröffentlichte schließlich das »Wilfried Martens Centre«, die wichtigste EVP-Denkfabrik, im März 2020 diverse 5G-Handlungsempfehlungen. Richtig gehandhabt, könne die 5G-Frage »Europas geopolitische Renaissance« einleiten, so die darin artikulierte Hoffnung. Dafür müsse die Leyen-Kommission 5G aber zur höchsten Priorität erklären und das EU-Potential nun um buchstäblich jeden Preis bündeln und ausbauen: »Eine echte europäische geopolitische Strategie wird zu einem einzigen einheitlichen EU-5G-Anbieter führen. Ein kombinierter Nokia-Ericsson-Konzern von solcher Dimension, dass er ein erstklassiger Globaler Spieler werden wird. […] Europa sollte geduldig sein und kurzfristige ökonomische Kosten zugunsten langfristiger strategischer Vorteile in Kauf nehmen […] Mehr als alles andere würde dies die klare Botschaft aussenden, dass Brüssel entschlossen ist, ein ernsthafter geopolitischer Akteur auf globaler Ebene zu werden.«⁹

Nach 5G ist vor 6G

Es bleibt natürlich abzuwarten, ob die erklärten Huawei-Gegner in Deutschland und vor allem auch in Großbritannien nicht doch noch einmal in die Offensive gehen werden, Ansätze dazu gibt es immer wieder. Allerdings scheint es derzeit, als trage der gefundene Kompromiss: Teileinstieg Huaweis bei gleichzeitig erheblichem Ausbau der EU-Kapazitäten in Richtung eines 5G-Konsortiums.

Inwieweit dies für die neue Netzgeneration angesichts der kurzen Zyklen bereits gelingen wird, erscheint allerdings fraglich, schließlich wurde der Vorgänger 4G wie gesagt erst 2010 eingeführt. Dies ist aber wohl auch nicht der springende Punkt, sondern dass man generell besser für die anstehende »Tech-Geopolitik« gewappnet sein will. Die nun auf die Schiene gesetzten Maßnahmen dürften deshalb spätestens bei 6G Früchte tragen, dessen Einführung bereits jetzt vorbereitet wird.

So hieß es in der EU-Positionsbestimmung von Ende Januar 2020: »Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, im Rahmen des nächsten ›Horizont Europa‹-Programms in Partnerschaft mit der Industrie und in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten eine institutionalisierte europäische Partnerschaft für das Internet der nächsten Generation/6G (›Intelligente Netze und Dienste‹) einzurichten‚ um den 5G-Ausbau abzuschließen und vor allem die Vorbereitungen für 6G, die Mobilfunktechnologie der nächsten Generation zu treffen. Hierfür wurden Investitionen in Höhe von mehr als 2,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt 2021–2027 vorgeschlagen, ergänzt durch private Investitionen in Höhe von mindestens 7,5 Milliarden Euro.«

Anmerkungen

Rede von Ursula von der Leyen auf der 55. Münchner Sicherheitskonferenz, 15.2.2019

2 Siehe zur militärischen Bedeutung von Digitalisierung im Allgemeinen und 5G im Besonderen auch die Beiträge in der Märzausgabe des IMI-Magazins Ausdruck mit dem Schwerpunkt »Rüstung digital«.

3 Kaan Sahin: Tech-Geopolitik auf dem Vormarsch, DGAP-Kompakt, Nr. 20/Juli 2019

4 Deutschlands digitale Souveränität sichern – Maßstäbe für sichere 5G-Netze setzen, Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 10.2.2020

5 Voelsen, Daniel: 5G, Huawei und die Sicherheit unserer Kommunikationsnetze. Handlungsoptionen für die deutsche Politik, SWP-Aktuell 2019/A 05, Februar 2019

6 Sichere 5G-Einführung in der EU – Umsetzung des EU-Instrumentariums, COM(2020) 50 final, Brüssel, den 29.1.2020

7 Ein digital souveränes Europa mit sicheren 5G-Netzen, Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion, 17.12.2019

8 Axel Voss: Ein Manifest für die digitale Souveränität und geopolitische Wettbewerbsfähigkeit Europas, o . J.

9 Eoin Drea: A Geopolitical, 5G Europe? Brussels needs to go big, or go home, Wilfried Martens Centre, März 2020