EU-Aktionsplan gegen Armut: Gute Worte reichen nicht
Zur heutigen Debatte des von der EU-Kommission vorgelegten Aktionsplans zur Umsetzung der ‚Europäischen Säule sozialer Rechte‘ (ESSR) 2021-2025 erklärt Özlem Alev Demirel (DIE LINKE), Mitglied des Ausschusses für Beschäftigung und Soziales):
Die Europäische Union hat in der Armutsbekämpfung bislang kläglich versagt und ihr selbstgestecktes Ziel, bis Ende 2020 die Situation von rund 20 Millionen EU-Bürger*innen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, zu verbessern, deutlich verfehlt.
Der neue ESSR-Aktionsplan sieht nun eine Verringerung der von Armut bedrohten Menschen in der EU bis 2025 um 15 Millionen Menschen vor. Das ist wenig ambitioniert, weil damit auch das Eingeständnis verbunden ist, an der Situation von 78 Millionen weiteren EU-Bürger*innen, die von sozialer Ausgrenzung und Armut bedroht sind, in den nächsten Jahren nichts ändern zu wollen. Doch selbst für ihre eigenen Zielvorgaben legt die EU-Kommission kein ausreichendes Maßnahmenpaket vor. Zwischen den selbst gefassten Zielen und den dazu vorgeschlagenen Maßnahmen liegt eine große Diskrepanz.
Notwendig für eine effektive Armutsbekämpfung ist ein konsequenter Bruch mit der an den Interessen von Unternehmen orientierten Politik der EU. Soziale Konditionalitäten im Konjunkturfonds, soziale Auflagen an Unternehmen, die öffentliche Gelder erhalten und verbindliche Schwellenwerte für einen Mindestlohn oberhalb der Armutsgrenze sind unverzichtbar, um Armut in der EU zu bekämpfen, aber im Aktionsplan eben nicht vorgesehen.
Änderungen der Fiskal- und Wettbewerbsregeln hin zur Stärkung öffentlicher Investitionen und zu einem Ende des Privatisierungsdrucks wären weitere wichtige Maßnahmen, um wegzukommen aus der Wettbewerbsunion und um sozialen Fortschritt zu ermöglichen.
Die Corona-Pandemie hat zudem die soziale Situation vieler Menschen weiter verschlechtert und den Reichtum weniger Menschen vergrößert. Diese Entwicklung dürfte sich in den nächsten Monaten sogar noch verschärfen. Ein Mehr an Armut und an sozialer Ausgrenzung ist daher zu befürchten, wenn nicht jetzt sofort mit Auflagen an mit EU-Mitteln unterstützte Unternehmen entschieden entgegengesteuert wird.