Geopolitische Interessen: EU und USA nehmen weitere Repression Erdogans gegen die politische Opposition offenbar einfach hin
Zu den Reaktionen der USA und der EU auf das angekündigte Verbotsverfahren gegen die türkische Oppositionspartei HDP (Demokratische Partei der Völker) und dem bekanntgewordenen Verzicht der EU auf die angekündigten Sanktionen erklärt die stellvertretende Vorsitzende der Delegation des EU-Parlaments für die Beziehungen zur Türkei, Özlem Alev Demirel:
Das angekündigte Verbotsverfahren gegen die HDP ist der Versuch der türkischen AKP/MHP-Regierung, in einer für sie äußert angespannten Lage demokratische Kritiker*innen mundtot zu machen. Es ist perfide, wie doppelzüngig die USA und die EU auf diesen Angriff auf Grund- und Freiheitsrechte agieren.
Denn der verbalen Kritik an dem Verbotsverfahren folgen nicht nur keine Konsequenzen, im Gegenteil. Die EU nimmt vielmehr offenbar gerade Abstand von den angekündigten Sanktionen wegen der illegalen Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer gegen die Türkei, die Ende März beschlossen werden sollten. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters soll auch US-Präsident Joe Biden einen entsprechenden Verzicht auf Sanktionen gefordert haben.
Die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der EU und der USA sind auf ein gutes Verhältnis zum Erdogan-Regime ausgerichtet, Menschenrechtsdebatten zählen nur, wenn sie eigenen politischen und ökonomischen Interessen nicht im Wege stehen. Eine Hinwendung Erdogans zu Russland soll verhindert werden, die wirtschaftlichen Beziehungen inklusive der Rüstungslieferungen sollen ungehindert fortgeführt werden.
Damit hat die Anfang des Jahres gestartete Erdogansche „Charme-Offensive“ gegenüber der EU Erfolg, die Unterdrückung der politischen Opposition in der Türkei kann er dabei sogar ungestört verschärfen.
Laut Reuters spielte auch Angela Merkel ein wichtige Rolle bei der Vermittlung der zwischen der EU und der Türkei. Insbesondere die deutsche Bundesregierung fährt einen fatalen Kurs in der Zusammenarbeit mit dem Regime in der Türkei.
So wundert es auch nicht, dass das Auswärtige Amt in seiner Erklärung zum geplanten HDP-Verbot nicht lediglich das antidemokratische Vorgehen der AKP/MHP-Koalition kritisiert, sondern auch den Vorwand des Erdogan-Regimes bekräftigt, man „erwarte“ von der HDP „eine klare Abgrenzung gegenüber der PKK, die als Terrororganisation gelistet ist.“
Statt Erdogans antidemokratische Politik zu legitimieren, wie es die Bundesregierung tut, gilt es, all die Kräfte zu unterstützen, die sich gegen ein HDP-Verbot wenden und für die Einhaltung von Menschenrechten in der Türkei stehen. Dazu muss auch Druck auf die EU-Institutionen aufgebaut werden. Deren doppeltes Spiel darf nicht aufgehen.