Abrüstungsverträge statt Machtpolitik wären das Gebot der Stunde

Özlem Alev Demirel, stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments (SEDE), erklärt zum Treffen von US-Präsident Biden mit dem russischen Präsidenten Putin:

„Wäre Biden nicht lediglich auf geopolitischer Mission zur Durchsetzung von US-Interessen nach Genf gereist, sondern mit der Absicht den INF Vertrag zu erneuern, wäre das Signal des Treffens heute für Bürger*innen der EU, Russlands und der USA ein erfreuliches. So dürfte es sich lediglich um Schein-Diplomatie in Vorbereitung kommender Auseinandersetzungen handeln.“

„Nach dem Treffen der G7 und der NATO ist Biden mit einer klaren Botschaft zum Treffen mit Putin nach Genf gereist: ‚Amerika is Back‘ – der Westen ist wieder unter Amerikas Führung vereint. An Putin geht das klare Signal, dass er den ‚Freiraum‘, wie unter Trumps Zeiten nicht mehr hat.“

„Während die Begegnung Biden – Putin als ‚offenes konstruktives Gespräch‘ zusammengefasst wurde und beide unter dem Schlagwort ‚strategische Stabilität‘ jetzt versuchen werden, im jeweils eigenen geopolitischen Interesse die diplomatischen Beziehungen auszubauen, versucht sich der Hohe Vertreter der EU, Josep Borrell als Gegenmacht zu Russland und als selbsternannter ‚Brückenbauer‘ zwischen Russland und den USA zu positionieren. Doch die Erklärung der EU wirkt wie ein unbeholfener Versuch, den pragmatischen Ansatz Bidens nicht zum Nachteil der EU ausfallen zu lassen und Bedenken der östlichen EU-Mitgliedsländer entgegenzuwirken. Zurückdrängen, einschränken und einbinden waren daher Borrells Schlagworte im Hinblick auf Russland.“

„Zwar melden sich die USA als großer Bruder der EU zurück, alle Widersprüche und Unterschiede der Interessen zwischen den beiden transatlantischen Partnern bleiben jedoch einstweilen bestehen. Doch Biden erwartet Einordnung der Europäischen Partner in den von ihm gesetzten politischen Rahmen.“

„Er ist nach Europa gereist, um seinen Fokus deutlich zu machen und eine diplomatische Front zu begradigen. Er will die Bemühungen der USA bündeln und auf das konzentrieren, was ihm wirklich Bauchschmerzen bereitet: China als größte ökonomische Kraft auf dem Weg zur geopolitischen Weltmacht.“

„In dieser Auseinandersetzung würde die weitere Annäherung zwischen Russland und China nur eine zusätzliche Herausforderung bedeuten – zumal innenpolitische Probleme den außenpolitischen Spielraum des US-Präsidenten, anders als noch unter Obama, reduzieren. Bidens Vorgehen scheint dabei äußerst pragmatisch: er dürfte Putin gestern seine Positionen deutlich gemacht und ausgelotet haben, wie zukünftig Konflikte begrenzt werden können.“

„Mit Blick auf Syrien, Iran, Libyen und Afghanistan ist das Interesse der USA, dem russischen Einfluss zu begegnen, weil man sich darauf vorbereitet, schlagkräftig gegen die neue Macht Chinas vorzugehen.“

„Zwar bekundete Biden auch den Willen, gemeinsam mit Russland Möglichkeiten der Rüstungskontrolle weiter auszuloten und mit Blick auf den Iran wieder neue Verhandlungen aufzunehmen, jedoch fehlt eine Aussage zu dem von den USA aufgekündigten Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF). Das mag daran liegen, dass diese Mittelstreckenraketen zukünftig für die USA im Indopazifik eine neue Rolle spielen könnten.“

„Wir Linken bleiben dabei: Um den Frieden nachhaltig zu stärken, müssen auch NATO und USA bereit sein wieder Abrüstungsverträge zu verhandeln.“