Krieg als Mittel der Politik – eine fatale Strategie mit falschem Kompass

Özlem Alev Demirel, außenpolitische Sprecherin von DIE LINKE im Europaparlament, erklärt zum von den EU-Staats- und Regierungschef:innen beschlossenen „Strategischen Kompass“:

„Der von den EU-Staats- und Regierungschef:innen verabschiedete ‚Strategische Kompass‘ soll die Richtung für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik der nächsten fünf bis zehn Jahre vorgeben. Bedauerlicherweise zeigt das Dokument klar, wohin die Reise gehen soll: in Zeiten verhärtender Großmachtkonkurrenz ist die EU, nicht lediglich nur als Wirtschaftsmacht, sondern auch als Militärmacht gut gerüstet und bereit eigene geopolitische Interessen zu verteidigen und durchzusetzen. Der Kompass soll einen ‚Quantensprung‘ in der Militarisierung der Europäischen Union einleiten, während wichtige Aspekte wie Abrüstung, Rüstungskontrolle und Diplomatie darin nahezu völlig unter den Tisch fallen.“

„Obwohl die Europäische Union sich immer mit dem Label ‚Diplomatie-Macht‘ schmückt, verzichtet sie nun endgültig im Schatten wachsender Rivalität einen überzeugenden Gegenentwurf vorzulegen, der zur Deeskalation beitragen könnte – im Gegenteil, auch sie setzt voll auf Aufrüstung. Das Dokument bettet die Zielsetzung, die bereits geschaffenen Instrumente und weiterhin noch ‚benötigte‘ militärische Kapazitäten in eine Gesamtstrategie für die EU ein. Mit dieser Aufrüstungsspirale wird keine Sicherheitspolitik garantiert, sondern Krieg und militärische Gefechte als normales Mittel in der politischen Auseinandersetzung gefestigt. Das zu Grunde liegende Bekenntnis der EU ist deutlich: Die EU ist gut gerüstet, um als eine eigenständige Macht in einer Zeit der großen Rivalität unter den Weltmächten zu agieren und eigene Interessen im Kampf um Einflusssphären durchzusetzen.“

„Kernstück des Kompasses ist eine geplante 5.000 Soldat:innen starke ‚Schnelle Eingreiftruppe‘. Mit ihrem Aufbau soll bereits in diesem Jahr begonnen werden, bis 2025 soll er abgeschlossen sein. Gleichzeitig sollen die Entscheidungsmechanismen in der EU überarbeitet werden, um so das bislang gültige Konsensprinzip bei Beschlüssen zum Beginn von Militäreinsätzen in wesentlichen Teilen auszuhebeln. Entscheidend dominierende Länder bleiben dabei weiterhin Deutschland und Frankreich, die relativ einfach Mehrheiten und Sperrminoritäten organisieren können.“

„Außerdem sieht der Kompass vor, ebenfalls bis 2025 die Kapazitäten der ‚Militärischen Planungs- und Führungsfähigkeit‘ so zu erweitern, dass es als EU-Hauptquartier Einsätze im Umfang von bis zu 5.000 Soldat:innen leiten kann. Die Botschaft ist eindeutig: die EU will künftig ‚einfacher‘ und ‚besser‘ Krieg führen können.“

„Darüber hinaus werden im Strategischen Kompass auch noch eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Rüstungskomplexes angekündigt. Sie reichen von konkreten Rüstungsprogrammen – Kampfflugzeuge, Kampfpanzer und so weiter – bis hin zu einer generellen Mehrwertsteuerbefreiung für länderübergreifende europäische Rüstungsprojekte. Dagegen fristet der Bereich Abrüstung, Nicht-Verbreitung und Rüstungskontrolle ein Schattendasein; nicht einmal eine halbe Seite erhält er in dem über 40-seitigen Dokument.“

„Auch wenn nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Passagen über die Bedeutung der NATO noch einmal aufgewertet wurden, scheint dennoch der Anspruch an jeder Stelle durch, als eigenständiger militärischer Akteur in das Ringen als ein entscheidender Faktor unter den Großmächten noch intensiver und mit einer stark aufgerüsteten Union einzutreten. Der Kompass hätte ein Anfang sein können, um ernsthaft an einer europäischen Friedensordnung zu arbeiten. Stattdessen ist er hauptsächlich ein Arbeitsprogramm zur Aufrüstung der Union geworden, das die Sektkorken nicht nur bei der Rüstungsindustrie knallen lassen. Dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung in der EU und dem Frieden wird dagegen so nicht gedient – im Gegenteil.“