Ukraine: Verhandlungen brauchen keine Hochrüstung, sondern Waffenruhe

Im Europäischen Parlament fand am 01. März 2022 eine Sondersitzung zu Putins Krieg in der Ukraine statt. Auch der ukrainische Präsident Selenskyj hielt eine Ansprache, die Rat und Kommission dafür nutzen, eine schlagkräftige Militärunion EU anzukündigen. Zudem wurde eine Entschließung des Europaparlaments zur Abstimmung gestellt. Auch hier war der Kurs deutlich: Im Einklang mit der NATO und darüberhinaus mit einer schlagkräftigen Militärunion EU sollen nun Kapitalinteressen und Einflusssphären militärisch „verteidigt“ und ausgebaut werden. In der Gänze habe ich die Resolution abgelehnt. Den einleitenden Passagen, in denen der russische Angriffskrieg verurteilt wird, habe ich explizit in der Einzelabstimmung zugestimmt. Hier meine Erklärung zur Abstimmung und zur aktuellen Lage:

Der umfassende Angriff Russlands auf die ganze Ukraine ist auf Schärfste zu verurteilen. Er ist mit keinem Grund zu rechtfertigen. Wieder werden zahlreiche unschuldige Menschen verletzt, zu Geflüchteten gemacht oder sterben. Dieser Krieg muss beendet werden und die Truppen unverzüglich abgezogen werden. Es gibt keine Alternative zum Frieden!

Es gibt keine Legitimation und keine annehmbare Begründung für diesen Kriegsakt von Putin, in dem Brüdervölker wie die Ukrainer und Russen ins Schlachtfeld gegeneinander geschickt werden. In diesem Krieg geht es der Putin-Administration um eine brutale Durchsetzung politischer Macht und Kapitalinteressen der russischen Oligarchen und nicht etwa um die Interessen der Völker in der Ukraine oder in Russland. Deshalb gilt meine Solidarität heute ganz besonders der Friedensbewegung in ganz Europa – insbesondere aber in Russland, den Menschen, die in den vergangenen Tagen mit vielen Repressionen zu kämpfen hatten.

Meine Solidarität und mein Mitgefühl gilt natürlich auch allen voran den Ukrainern, die Angehörige verloren haben, nun ihrer Heimat beraubt werden oder wurden und unter diesem Krieg leiden.

Dieser Krieg ist eine Zäsur ist überall zu vernehmen. Und ja, dieser Krieg ist eine Zäsur. Aber nicht etwa, weil dies der erste Krieg in Europa seit 1945 wäre, wie in hiesigen Medien und vom deutschen Bundeskanzler Scholz behauptet wurde. Denn das ist schlicht gelogen. Auch auf unserem Kontinent gab es nach 1945 verschiedene Kriege. Allen voran erinnere ich an 1999 – an den großangelegten Angriffskrieg seitens der NATO in Jugoslawien. Doch auch im letzten Jahr erlebten wir den Krieg um Bergkarabach und zuvor in Georgien, Tschetschenien und in Zypern. Dies alles sind Kriege auf europäischem Boden. Warum also jetzt diese Behauptungen? Geht es womöglich um die Legitimation von noch mehr Aufrüstung?

Ja, darum geht es. Am vergangenen Sonntag machte die Ampelkoalition im deutschen Bundestag deutlich, dass sie jetzt einen Schattenhaushalt für die Bundeswehr mit 100 Mrd. EUR einrichten und im Grundgesetz verankern möchte sowie zusätzlich im Haushalt mindestens das 2%-Ziel der NATO (also mindestens rund 80 Mrd. EUR) für die Auf- und Ausrüstung der Bundeswehr ausgeben möchte. Zusammengerechnet also mindestens 180 Mrd. EUR. Deutschland hätte damit den drittgrößten Militärhaushalt weltweit. Und genau dies ist die befürchtete Zäsur.

Die Folge dieser Politik wird sein, dass Eskalation und Krieg als Mittel der Politik auch zur Normalität in Europa für die Zukunft unserer Kinder werden wird. Dafür zahlen sollen die Bürgerinnen und arbeitenden Menschen, indem Sie mehr arbeiten, mehr Überstunden leisten, mehr produzieren und gleichzeitig der Gürtel für soziale Ausgaben enger geschnallt werden soll – wie Finanzminister Lindner im Fernsehinterview verriet.

Was wir erleben, ist eine enthemmte Stimmung für eine neue Außen- und Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa, die als Wirtschaftsmacht nun auch als Militärmacht ihre Interessen in aller Welt durchsetzen möchten. Diese Interessen sind aber nicht die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern in diesen Ländern. Die Aufrüstungen geschehen nicht für unsere Freiheit – Es geht nicht um unsere Freiheit, sondern um den freien Zugang zu Absatzmärkten und Ressourcen. Bei Krieg und Aufrüstung geht es immer um Kapitalinteressen und Einflusssphären.

Die Ansprache des ukrainischen Präsidenten Selenskyj nutzen der EU-Außenbeauftragte Borrell und die Kommissionspräsidentin von der Leyen, um noch einmal deutlich zu machen, dass jetzt die Zeit gekommen sei, die EU in eine handfeste und schlagkräftige Militärunion zu verwandeln. Ich halte es für es zynisch, das Leid der Ukrainer für so etwas zu missbrauchen.

In den Redebeiträgen der Kommission tauchte mit keinem Wort auf, dass aktuell Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland geführt werden. Somit wurde auch nicht geklärt, was für diese Verhandlungen nötig ist. Die aktuellen Verhandlungen werden nicht etwa unter einem Waffenstillstand geführt, doch dies wäre der allererste Schritt, der notwendig wäre, um das Sterben und das Leid der Menschen in der Ukraine zu beenden. Das Wort „Diplomatie“ tauchte in keinem Redebeitrag auf und ist nicht in der aktuellen Gesamtstrategie der EU enthalten. Dabei wäre mit den endlich begonnenen Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland es jetzt an der Zeit, im Europäischen Parlament den Druck auf Putin so zu erhöhen, dass die Friedensverhandlungen unter einer Waffenruhe stattfinden müssen. Stattdessen wird weiter an der Aufrüstungsspirale gedreht.

Die Völker Europas und der Welt möchten in Frieden und sozialer Sicherheit leben. Aufrüstung und Militarisierung widerspricht diesem Sicherheitsbedürfnis. Die Zäsur, die wir aktuell im politischen Diskurs erleben, steht im Widerspruch mit der Sehnsucht nach Frieden. Jetzt ist nicht die Zeit für ein neues Wettrüsten. Jetzt ist die Zeit für eine starke Friedensbewegung! Die russischen Truppen müssen aus der Ukraine vollständig abgezogen werden und ein dauerhafter Frieden muss für die Ukraine und Gesamteuropa gefunden und politisch gesichert werden.