Solidarisches Rüsten ohne Mehrwertsteuer? EU dreht kräftig am Militarisierungsrad

Die heute veröffentlichte gemeinsame Mitteilung des EU-Außenbeauftragten und der EU-Kommission hat es in sich: Sie schlagen gleich eine ganze Reihe an Maßnahmen vor, mit denen der Aufbau eines europäischen Rüstungssektors noch einmal deutlich forciert werden soll. Konkret stechen vor allem drei Vorschläge ins Auge: Für die koordinierte gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern soll eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Ihre Aufgabe wird es unter anderem sein, ein ebenfalls vorgeschlagenes neues Instrument für Waffenkäufe mit einem Umfang von 500 Millionen Euro zu implementieren. Und noch in diesem Jahr wollen der Außenbeauftragte und die Kommission ein Gesetz für ein europäisches Verteidigungs-Investitionsprogramm vorlegen, das die Bildung von EU-Rüstungskonsortien ermöglichen soll. Besonders zynisch ist es, dass angesichts galoppierender Inflation und immer schwieriger werdenden Lebensbedingungen für viele Menschen in Europa der neue Fonds als eine Art Rüstungssoli verkauft werden soll.

Hintergrund:
Nachdem Waffenlieferung um Waffenlieferung in die Ukraine verfrachtet wird, leeren sich die Altbestände-Lager (zum Teil noch Sowjet-Waffensysteme) zahlreicher EU-Staaten. Zusätzlich zur bisherigen Möglichkeit, Gelder aus der Europäischen Friedensfazilität zu erhalten, wird jetzt auch noch vorgeschlagen, die EU solle nun einen neuen Topf im Umfang der besagten 500 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2024 ausloben. Mit ihm soll nun im „Geiste der Solidarität“ kurzfristige Beschaffungen vor allem für die Staaten finanziert werden, die der Ukraine die meisten Waffen geliefert haben.
Die Bedingung dafür soll aber sein, das sich dafür mindestens drei Staaten zusammenschließen. Der EU-Vertrag verbietet es laut Artikel 41.2, Ausgaben im Militärbereich aus dem EU-Haushalt zu bestreiten. Man darf gespannt sein, welchen juristischen Winkelzug Brüssel sich diesmal einfallen lässt, um dieses Problem beiseite zu wischen. Die Details dazu sollen aber erst noch folgen. Auch das für dieses Jahr angekündigte Gesetz für ein europäisches Verteidigungsinvestitionsprogramm ist überaus problematisch. Es soll die Bedingungen für die Bildung europäischer Verteidigungskapazitätskonsortien (European Defence Capability Consortium, EDCC) zur gemeinsamen Beschaffung und Nutzung von Rüstungsgütern definieren. Dies ist insofern von Bedeutung, weil in diesem Rahmen angeschaffte Rüstungsgüter dann von der Mehrwertsteuer ausgenommen sein sollen. Doch damit nicht genug: Die Steuerbefreiung – oder nennen wir es besser Subvention – soll sich dann auch auf die gesamte Lebensdauer erstrecken, also auf Betrieb, Wartung und Außerbetriebnahme.

Das Pochen auf gemeinsame Beschaffung und Nutzung ist kein Selbstzweck: Ziel ist es, damit Fusionen und Übernahmen und damit die Formierung eines – auch mit den USA konkurrenzfähigen – europäischen Rüstungssektors voranzutreiben. Mit Solidarität hat das alles nichts zu tun, sondern mit militärisch-machtpolitischen Ambitionen, denen sich Brüssel mittlerweile mit Haut und Haar verschrieben hat. Wir wollen aber keine Aufrüstung unter dem falschen Denkmantel der „Solidarität“, die Kriegsgefahren auch in Zukunft erhöhen, sondern Abrüstung für den Frieden!

Foto: Tobias Nordhausen, flickr.com, (CC BY-NC-SA 2.0)