Türkei-Wahl: Nationalismus gestärkt
Özlem Alev Demirel, stellvertretende Vorsitzende der EU-Türkei-Delegation für DIE LINKE im Europaparlament, erklärt zum Ergebnis der ersten Rundes der Präsidentschafts-Wahl in der Türkei:
„Dass Recep Erdoğan bei den Präsidentschaftswahlen erstmals nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erreichen konnte, ist ein gutes Signal. Noch besteht die Möglichkeit, dass der demokratische Kandidat Kemal Kılıçdaroğlu in der Stichwahl zum Präsidenten gewählt werden kann, wobei Erdoğan allerdings mit dem Vorteil, die Parlamentsmehrheit hinter sich zu haben, und mit einem prozentualen Vorsprung in die Stichwahl geht.
„Über sieben Prozent der Stimmen hat Erdoğans AKP zudem im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen verloren. Die Zustimmung zu Erdoğans Politik bröckelt also weiter, aber der Diffamierungs-Wahlkampf der AKP ist dennoch aufgegangen. Um von der ökonomischen Frage abzulenken, wurde darauf gesetzt, Kemal Kılıçdaroğlu als einen Kandidaten darzustellen, der gemeinsame Sache mit ‚Terroristen‘ mache; gemeint war die HDP. Religiöse und nationalistische Fragen wurden ebenso zum Thema gemacht, wie Ressentiments gegen Geflüchtete geschürt wurden.“
„Die Wähler:innenbewegungen fanden innerhalb der politischen Blöcke in der stark polarisierten Gesellschaft statt. Unzufriedene vormalige AKP-Wähler:innen wechselten zu nationalistischen, zu religiösen Parteien, nicht aber zur bürgerlichen oder demokratischen Opposition, und das, obwohl die CHP sogar ein Bündnis mit rechts von ihr stehenden Parteien eingegangen war.“
„Gestärkt sind nationalistische Kräfte aus den Wahlen zum Parlament hervorgegangen, was in den nächsten Jahren zu einer großen Last werden kann.“
„Nicht vergessen werden darf, dass Erdoğan und seine AKP den Staatsapparat und die Medien fest in ihrem Griff hatten und allein dadurch das Wahlgeschehen zu Erdoğans Gunsten beeinflussen konnten. Von fairen Voraussetzungen kann also nicht ernsthaft die Rede sein. Zudem gibt es Berichte und Hinweise auf Manipulationen im Zusammenhang mit den Wahlen selbst. Diese müssen aufgeklärt werden – und das darf man nicht der AKP überlassen.“