Rüstung in Massenproduktion
Özlem Alev Demirel, außen- und friedenspolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament und stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung, erklärt zur heutigen Vorlage einer Investitionsstrategie und eines Industrieprogramms für den Rüstungsbereich:
„Nicht Kriegstüchtigkeit, sondern Friedensfähigkeit, darum müsste es eigentlich gehen. Nur das würde den Bedürfnissen der Bevölkerung in Europa wirklich gerecht werden. Stattdessen wird seit Russlands Überfall auf die Ukraine aufgerüstet, was das Zeug hält. Immer mehr Milliarden in den Rachen der Rüstungsindustrie und der Vorrang der Rüstungsproduktion vor der zivilen Produktion ist der falsche Weg. Das Geld fehlt so nicht nur für soziale Ausgaben, sondern immer mehr Waffen erhöhen auch die Kriegsgefahren und Kriegsbereitschaft. Wer Angst hat vor Kriegen, sollte aufstehen für Frieden.“
„Die Ansage der EU-Kommission ist unmissverständlich: Künftig sollen deutlich mehr Rüstungsgüter innereuropäisch erworben und die Rüstungsproduktion massiv gesteigert werden. Die Maßnahmen, die hierfür vorgeschlagen werden, bedeuten einen weiteren Schritt hin zu einer Kriegswirtschaft.“
Zum Hintergrund:
Die Industriestrategie EDIS hat vor allem die Aufgabe, ambitionierte Ziele für den Aufbau eines europäischen Rüstungskomplexes und den Ausbau der Rüstungsproduktion vorzugeben. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine werde zwar massiv Geld für Rüstungsgüter in die Hand genommen, davon würden aber 78 Prozent außerhalb der EU eingekauft, beklagt die Kommission. Das erklärte Ziel besteht deshalb darin, den Anteil europäischer Konzerne an diesem Rüstungskuchen deutlich zu vergrößern. Bis 2030 sollen mindestens 40 Prozent der Verteidigungsgüter länderübergreifend beschafft und bis dahin mindestens die Hälfte der Ausgaben europäischen Firmen zugeschustert werden – bis 2035 sollen es schon 60 Prozent sein.
Das Industrieprogramm EDIP befasst sich ergänzend damit, wie diese ambitionierten Ziele erreicht werden können. Dazu gehört die Umstellung auf Massenproduktion, was laut Kommission die „Sicherstellung der Verfügbarkeit aller Verteidigungsgüter“ erfordere – und zwar „unter allen Umständen und in jedem Zeithorizont.“
Die Devise „weg vom Klein-Klein“ zieht sich durch – statt Einzelbestellungen aus den Mitgliedsstaaten soll zukünftig die Massenbestellung erleichtert werden. Deshalb soll EDIP einen neuen Rechtsrahmen schaffen, die „Struktur für das Europäische Rüstungsprogramm“ (SEAP), mit den länderübergreifenden Bestellungen gleich mehrfach „belohnt“ werden sollen: Wenn sich mindestens drei EU-Länder im Rahmen dieser Struktur zum gemeinsamen Kauf von Rüstungsgütern zusammenfinden, sollen sie künftig einen „besseren“ Zugang zu Krediten erhalten. Das bisherige Verbot für die Europäische Investitionsbank, Geld für die Herstellung militärischer Güter bereitzustellen, fällt dafür.
Außerdem soll die Möglichkeit bestehen, sich länderübergreifend Rüstungskäufe künftig teils direkt aus dem EU-Haushalt finanzieren lassen – 1,5 Milliarden Euro stehen hierfür zwischen 2025 und 2027 zur Verfügung. Noch wichtiger: Entscheiden sich die Länder darüber hinaus auch noch zu einer gemeinsamen Nutzung der gekauften Produkte, besteht die Möglichkeit eine Mehrwertsteuerbefreiung zu erhalten – und zwar über den gesamten Lebenszyklus eines Rüstungsproduktes (sprich Betrieb, Wartung und Entsorgung).
Und das ist alles erst der Anfang: Ab 2028 tritt der nächste siebenjährige EU-Haushalt in Kraft, mit dem dann richtig große Summen in den Rüstungsbereich gepumpt werden sollen. Als Richtwert lässt Industriekommissar Thierry Breton bereits den Betrag von 100 Milliarden Euro fallen. Ein fataler Kurs, der nur Rüstungskonzernen die Taschen vollmacht und kein Stück Sicherheit bringt.