EuGH-Urteil: Die Soziale Säule wackelt für Arbeitnehmer:innen in Europa
Zur heutigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bzgl. der Klage von Dänemark und Schweden auf Annullierung der Europäischen Mindestlohndirektive erklärt die sozial- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Die Linke im Europäischen Parlament Özlem Alev Demirel:
„Mit der heutigen Entscheidung herrscht endlich Rechtssicherheit für über 20 Millionen Beschäftigte in der EU, die trotz Arbeit in armutsgefährdeten Haushalten leben. Gleichzeitig stärkt das Urteil die Position der europäischen Gewerkschaften, die nun auf Grundlage der Richtlinie entschlossener gegen Armutslöhne vorgehen können. Der Einsatz, den auch wir Linken für die EU-Mindestlohnrichtlinie gezeigt haben, war richtig. Das heutige Urteil bekräftigt diesen Einsatz.
Es ist ein wichtiges Signal, dass der Europäische Gerichtshof wesentliche Teile der EU-Mindestlohnrichtlinie bestätigt hat. Diese Richtlinie trägt entscheidend dazu bei, die Lebensrealität von weit über 20 Millionen Menschen in Europa zu verbessern, die trotz Arbeit nicht von ihrem Lohn leben können. Bedauerlich ist jedoch, dass einige Kriterien annulliert wurden, die bei der Festlegung gesetzlicher Mindestlöhne als Orientierung dienen sollten. Für uns Linke bleibt entscheidend, europaweite Mindeststandards festzuschreiben, die soziale Sicherheit garantieren und Armutslöhnen einen Riegel vorschieben. Eine direkte Lohnpolitik der EU oder Eingriffe in die Tarifautonomie lehnen wir weiterhin ab. Umso wichtiger ist es, dass die offiziellen Schwellenwerte zur Armutsgefährdung – mindestens 60 Prozent des nationalen Brutto-Medianlohns und 50 Prozent des Durchschnittslohns – als Kriterien erhalten bleiben.
Erfreulich ist außerdem, dass die zweite zentrale Säule der Richtlinie vollständig bestätigt wurde. Sie zielt darauf ab, die Tarifbindung dort zu erhöhen, wo sie unter 80 Prozent liegt – ein wichtiges Instrument, insbesondere für Gewerkschaften, um gute Tarifabschlüsse und faire Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Das ist mindestens ebenso bedeutsam, denn nur starke Tarifverträge sorgen langfristig für soziale Sicherheit und gerechte Löhne.
Zeit zum Zurücklehnen ist mit der heutigen Entscheidung dennoch nicht – insbesondere mit Blick auf die aktuellen Vorhaben der Europäischen Kommission. Der Angriff auf sozialpolitische Fortschritte geht weiter, und die Umsetzung der Europäischen Sozialen Säule ist in weiter Ferne. Frau von der Leyen und ihre Kommission ordnen alles weiterhin dem Dogma des Wettbewerbs unter. Mit dem Omnibus-Paket und der drohenden Schwächung der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie des Lieferkettengesetzes steht erneut viel auf dem Spiel. Umso wichtiger ist es jetzt, dass die Menschen in Europa, die Gewerkschaften, Sozialverbände und zivilgesellschaftlichen Organisationen eng zusammenstehen und klar sagen: Nicht mit uns! Eines ist sicher – wir Linken werden an ihrer Seite stehen.“
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