Reparationsdarlehen Ukraine: Undemokratisch und hochriskant
Özlem Alev Demirel, außen- und friedenspolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt zur heutigen Abstimmung über das beschleunigte Verfahren zur Einrichtung des Reparationsdarlehens für die Ukraine:
„Ohne Zweifel ist die Ukraine spätestens seit dem Krieg vom Bankrott bedroht. Ebenso klar ist, dass auch Russland am Wiederaufbau beteiligt werden muss. Genau das muss die Europäische Union in Verhandlungen deutlich machen. Doch es rächt sich, dass sie seit vier Jahren nicht verhandelt hat.
Was nun vorgeschlagen wird, ist haarsträubend: Das Parlament hat heute einem beschleunigten Verfahren zur Einrichtung eines sogenannten Reparationsdarlehens für die Ukraine zugestimmt. Ziel ist es, bereits im Januar die Zustimmung zu einem gefährlichen Konstrukt zu erhalten – der Umwandlung von 210 Mrd. Euro, darunter 185 Mrd. Euro russischer Zentralbankgelder, die in Belgien liegen, in einen Kredit an die Ukraine. Dieses Verfahren macht es unmöglich, eine derart hochkomplexe, in ihren Folgen nicht absehbare und brandgefährliche Maßnahme angemessen zu prüfen und abzuwägen.
Was die Kommission vorschlägt und mit welchen Mitteln dieser Vorschlag durchgesetzt werden soll, ist zutiefst undemokratisch. Es ist sowohl aus finanzpolitischer Sicht als auch mit Blick darauf, wer diesen Präzedenzfall am Ende bezahlen muss – die EU-Bürger:innen –, hochriskant und falsch.
Am Donnerstag soll der Ratsgipfel die Verwendung der eingefrorenen Gelder endgültig beschließen. Dies geschieht gegen den bisherigen Widerstand mehrerer EU-Mitgliedstaaten, allen voran Belgien, das den Großteil dieser Gelder verwaltet. Zuvor wurde das Einstimmigkeitsprinzip im Rat mithilfe des sogenannten Notstandsartikels 122 ausgehebelt, um die russischen Staatsbankvermögen dauerhaft zu blockieren und zugriffssicher zu machen.
Dieses Vorgehen birgt unkalkulierbare Risiken. Im schlimmsten Fall kann es sogar das gesamte EU-Finanzsystem betreffen – darauf weist nicht zuletzt die Chefin von Euroclear mit Sitz in Brüssel hin. Gleichzeitig verliert die EU mit der Verwendung der Gelder ihr starkes Druckmittel, um diesen Krieg zu beenden. Russland wird bei einem Verlust keinerlei Verhandlungsbereitschaft mehr zeigen. Der Abnutzungskrieg mit immer mehr Toten und immer größerer Zerstörung wird sich weiter fortsetzen.
Hinzu kommt, dass ein Großteil der Gelder in die weitere militärische Auf- und Ausrüstung der Ukraine fließen soll. Was die Ukraine jedoch braucht, ist ein rigoroser Schuldenschnitt und Mittel für den zivilen Wiederaufbau. Vor allem aber muss der Krieg enden. Die EU muss aufhören, immer weiter Öl ins Feuer zu gießen.