EU trägt Mitschuld an Zuständen in Libyen
Özlem Alev Demirel, außenpolitische Sprecherin von DIE LINKE im Europaparlament, erklärt zur heutigen Plenar-Abstimmung über den Bericht zur Lage in Libyen:
„In diesem Bericht drängt sich der Eindruck auf, als habe die EU nichts mit den Konflikten, den Folterlagern und dem Staatsverfall in Libyen zu tun – als habe es keine NATO-Intervention im Land gegeben, der den Zerfall und Bürgerkrieg im Land befeuert hat und als seien die Unmengen an Waffen ‚made in EU‘ schon immer da gewesen. Wenn die EU sich nun besorgt zeigt, um die Lage und Entwicklungen in Libyen, verdeutlicht dies lediglich ihr instrumentelles Verhältnis zu diesem Land.“
„Der Fokus der EU liegt dabei einerseits auf dem Zugang zu den wichtigen fossilen Ressourcen, wie Öl oder etwa den Gasvorkommen am östlichen Mittelmeer, und andererseits auf der Migrationsabwehr. Seit 2015 hat die EU mit Millionenbeträgen die Überwachung der libyschen Seegrenze finanziert. Von anfänglichen Programmen wie ‚Seepferdchen Mittelmeer‘, über das 5,5 Millionen Euro in den Aufbau der Küstenwache floss, bis hin zur Einrichtung einer Seenotleitstelle für über 50 Millionen Euro, damit die Grenzschutzagentur Frontex und IRINI Geflüchtete in Seenot direkt an die von Milizen beherrschte libysche Küstenwache melden können. Konkret heißt dies, dass es ohne die EU die sogenannte libysche Küstenwache nicht gäbe, zu deren regelmäßigen Vorgehen auch völkerrechtswidrige ‚pull-backs‘ und weitere Menschenrechtsverletzungen gehören.“
„In unzähligen Anfragen an Kommission und Rat habe ich feststellen müssen, dass die EU Afrika im Allgemeinen und Libyen sowie das Mittelmeer im Besonderen zu einem Testfeld neuer Abschottungstechnologien und -methoden gemacht hat. Das Ganze lässt sich unter dem Begriff der Externalisierung der Grenzen zusammenfassen. Wenn man berücksichtigt, dass der Chefdiplomat Borrell sagte, Europa sei ein Garten, umzingelt von einem Dschungel, und dabei einen Blick auf die EU-Libyen-Politik wirft, fällt auf, dass die EU eben nicht rein und schön dasteht, wie Herr Borrell behauptet, sondern verkommen und wild.“
Hintergrund:
Verschiedene Anfragen von Özlem Demirel an Rat, Kommission und an Frontex ergaben, dass angeblich eingerichtete Seenotleitstelle nicht existiert bzw. nicht einsatzbereit ist. Wie an so vielen Stellen, verdeutlicht dies, dass die Institutionen der EU, insbesondere Frontex, lediglich dazu dienen, flüchtenden Menschen den Weg in die EU zu versperren. Im vergangenen Jahr wurden über 32 000 Menschen abgefangen und in menschenverachtende Lager in Libyen gesperrt, darunter 1 500 Minderjährige – dies ist eine Verdreifachung gegenüber 2020.