Grenzdrohnen – Unbemannte Überwachung der Festung Europa
von Matthias Monroy
Europäische Studien zur Außen- und Friedenspolitik 3/2021
herausgegeben von Özlem Alev Demirel MdEP
Die Europäische Union definiert sich als Werteunion und beruft sich dazu auf die Grundwerte in Artikel 2 des EU-Vertrages: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit, sowie auf die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Minderheitenrechte. Will ein Staat der Gemeinschaft beitreten, soll er sich an diese Grundwerte halten.
Doch werden die Grundrechte denn von der Friedensnobelpreisträgerin EU und ihren Mitgliedstaaten selbst konsequent beachtet? Unzählige Male wurden und werden diese Werte buchstäblich über Bord geworfen. Vielmehr gelangen Verwicklungen der Europäischen Grenzagentur Frontex an die Öffentlichkeit, die in ihren zahlreicher werdenden Einsatzgebieten offen oder mit verlässlichem Wegschauen gegen die hochgelobten europäischen Werte verstößt. Das ist keine bloße Missachtung des EU-Vertrages, sondern es sind brutale Menschenrechtsverletzungen als Grundlage einer europäischen Abschottung.
Seit dem Jahr 2015 beobachten wir die permanente und massive „Versicherheitlichung“ der europäischen Migrationspolitik, die unübersehbar mit einer Militarisierung und der Vorverlagerung der EU-Außengrenzen verbunden ist. Besonders perfide ist, mit welchem Ehrgeiz Hightech-Ausrüstung und Militärtechnologie beforscht, getestet und finanziert werden.
Die Gewinner dieser Hochrüstung sind die europäischen Rüstungskonzerne. Sie verdienen daran, dass Frontex Geflüchtete ortet anstatt sie zu retten und ihre Koordinaten der Küstenwache in Libyen mitteilt, damit sie auf hoher See eingesammelt werden und wieder in die dortigen Internierungslager kommen. Es ist eine bewusste Entscheidung gewesen, einen bemannten Flugdienst und anschließend eine Drohnenflotte aufzubauen und gleichzeitig staatliche Schiffe aus dem zentralen Mittelmeer abzuziehen und stattdessen mit EU-Mitteln eine libysche „Seenotrettung” aufzubauen.
Die massenhaften Menschenrechtsverletzungen der libyschen Milizen sind der EU gut bekannt. Die neue Überwachungstechnik hilft der Friedensnobelpreisträgerin EU jedoch, sich selbst der Rettung von Menschenleben zu verweigern, ohne sich juristisch angreifbar zu machen.
Statt eines Hoch- und Wettrüstens braucht es dringend eine ernsthafte Kehrtwende – Schiffe und Flugzeuge, die Menschenleben retten, solidarische Verteilungsschlüssel in Europa sowie eine Politik, die auf Deeskalation setzt und Fluchtursachen beseitigt. Derartige Hilfen für Armen- und Krisenregionen dieser Welt werden derzeit aber häufig nicht dafür eingesetzt, den Menschen eine Perspektive zu bieten. Im Gegenteil, sie sind oft an Migrationsabwehr geknüpft. Die EU hat beispielsweise der libyschen Küstenwache sowie der Seepolizei allein aus dem EU-Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika 57 Millionen Euro zur Grenzüberwachung spendiert.
Würden die EU-Mitgliedstaaten Rüstungsexporte in Krisenregionen und an beteiligte Drittparteien unterlassen, müssten weniger Menschen fliehen. Stattdessen werden Milliarden dafür ausgegeben, mit denselben Rüstungskonzernen, die zuvor von den Ausfuhren profitierten, ein skrupelloses Grenzregime auszubauen.
Die von mir herausgegebenen Broschüren der Reihe „Europäische Studien zur Außen- und Friedenspolitik“ zeigen, wie komplex und fortgeschritten die Festung Europa mittlerweile ist. Sie kostet nicht nur viel Geld, sondern manifestiert auch eine entfesselte Politik, die den Menschen hier und im globalen Süden nicht hilft.