EU-Grenzregime – Profiteure von Entmenschlichung und mythologisierten Technologien
von Jacqueline Andres
herausgegeben von Özlem Alev Demirel MdEP
Mehr als 44.700 Menschen verloren im Zeitraum von 1993 bis Juni 2021 ihr Leben durch das EU-Grenzregime. Die stetig voranschreitende Militarisierung und Technologisierung der Grenzüberwachung verletzt das Recht auf Bewegungsfreiheit zahlreicher Menschen und nötigt sie dazu, immer gefährlichere Wege zu wählen, um auf der Suche nach Sicherheit und Perspektive die Grenzen zu überwinden. Währenddessen wird der freie Fluss von Waren und Kapital durchgehend gesichert – auch militärisch.
Große Profite erwirtschaftet dadurch die EUropäische Sicherheitsindustrie. Seit den 2000er Jahren stellen die Akteure dieser Industrie soziale und politische Fragen – wie z.B. die illegalisierte Migration in die EU – als Sicherheitsprobleme dar, welche durch den Einsatz von Technologien angeblich gelöst werden könnten. Diese mythologisierten und heilsversprechenden Technologien verkaufen besagte Akteure entweder schon oder entwickeln sie noch. Seit dem Jahr 2015 hat die Sicherheitsindustrie an Bedeutung gewonnen und ihre Produktpalette erweitert sich stetig.
Grotesk, wenn man berücksichtigt, dass einer der Hauptfaktoren für Flucht auch bewaffnete Konflikte und Kriege sind. Konflikte und Kriege, die mit steigenden Rüstungsexporten der EU- Mitgliedstaaten befeuert werden, mit Waffensystemen made in EU.
So wird das Thema Flucht zu einem doppelten Kassenschlager für die Waffenlobby. NATO-Stacheldraht, Drohnen, Satellitenbilder, Wärmebildkameras, Präsenzdetektoren, biometrische Anwendungen und KI-basierte Auswertungsprogramme gesammelter Daten sollen die EU dazu befähigen, Migrationsbewegungen zu „steuern“. Dabei werden die betroffenen Menschen entmenschlicht und auf ihre Körper bzw. auf ihre Fingerabdrücke, Gesichtszüge und Venenmuster reduziert. Mit der 2020 veröffentlichten EU-Strategie für die Sicherheitsunion plant die EU Kommission, der Sicherheitsindustrie eine noch wichtigere Rolle einzuräumen, um dabei zu helfen „alle Menschen in der EU zu schützen und unsere europäische Lebensweise zu fördern“. Doch diese suggerierte Sicherheit, schafft nicht nur tödliche Fluchtrouten für Menschen in Not, sondern schmeißt Milliarden Euro in den Rachen der Waffenindustrie, die für notwendige und soziale Infrastrukturpolitik fehlen.
Diese Studie zeigt auf, welche Industrien ganz besonders vom Leid, Elend und der Krise der Geflüchteten profitieren. Mit ihr möchte ich zur Aufklärung über Machenschaften der EUropäischen Sicherheitsindustrie beitragen und Perspektiven aufzeigen, gegen die Profiteure von Leid und Elend der Geflüchteten.
Es ist an der Zeit, die Sicherheitsindustrie als Lösungsanbieterin für durch sie definierte und geschaffene Sicherheitsprobleme zu delegitimieren und stattdessen Lösungen für die Gesundheits-, Klima- und Hungerkrise zu fordern, durch die das Leben von Millionen Menschen gefährdet werden.
Es ist an der Zeit Fluchtursachen zu bekämpfen. Der Weg dahin wäre neben dem Stopp aller Rüstungsexporte, auch eine andere EU -Wirtschafts- und Handelspolitik, die damit aufhört die natürlichen Ressourcen der Länder des Globalen Südens auszubeuten und diese in Abhängigkeiten zu treiben.
Es ist an der Zeit für eine lebenswerte Welt, in der sich alle Menschen frei bewegen können und niemand gezwungen ist, zu fliehen.